Von der Rückseite des Mondes - Chinesische Miniaturen

Von Monika Littau (Autor/in). | 112 Seiten | Erschienen: 12. 08. 2019 | ISBN: 9783903071728 | 1.Auflage

Eine Europäerin unter fremden Bäumen versucht zu verstehen, was chinesisch ist. Aber je mehr sie das Typische fassen will, desto vielschichtiger wird das Bild.

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Warum heißt Jiang, Jiang?
Ist Mo Li ein guter Name, um in China anzukommen?
Warum lächeln die Studentinnen und zeigen das Victory-Zeichen?
Was ist für sie wichtig außer dem Aufstieg zu Wohlstand?
Welche Rolle spielen dabei Familie, Bildung, Philosophie, Religion oder die Partei?
Und ist es nicht immer das Menschliche, Allzumenschliche, das überall auf der Welt - das Verhalten motiviert?

Am Ende gibt es in den literarischen Momentaufnahmen viele Beobachtungen und mehr Fragen als Antworten. Die Fragen jedoch führen zum chinesischen Traum und zu ihren Träumern, die auch auf der Rückseite des Mondes spazieren gehen.
Es öffnet sich der Wald und wir treten auf die Lichtung globaler Seelenräume.

Die Miniaturen wollen einen lyrisch-literarischen, manchmal reportagehaften Zugang zur Gegenwart im Reich der Mitte, dem Übermorgenland geben. Lakonisch geschrieben, ziehen sie beim Lesen in den Rhythmus der Sprache. Aus Bruchstücken setzt sich ein chinesisches Mosaik des Einzigartigen, der Gegensätze und des Gleichgemachten zusammen.
Ein Buch vom Ankommen.
Ein Buch für China-Interessierte.
Ein Buch von der Rückseite des Mondes, voller Geheimnisse.

REZENSIONEN

DEM GEHEIMNIS NÄHERKOMMEN
Von
Klára Hůrková

Was könnte einer Europäerin /einem Europäer komplexer, rätselhafter und widersprüchlicher erscheinen als das ferne Reich der Mitte? Nicht umsonst reden die Deutschen vom "Fachchinesisch", wenn sie eine schwer verständliche Erklärung hören; den Spaniern und Franzosen wiederum kommt etwas, was sie nicht verstehen, "chinesisch" vor. Viele von uns bewundern die Jahrtausende alte chinesische Kultur und Tradition, fühlen sich aber ratlos oder wütend angesichts der neueren chinesischen Geschichte und Politik.
Die Schriftstellerin Monika Littau erlebte das heutige China aus erster Hand, als sie 2017 an der Ocean University of China in Qingdao (Tsingtau) Poet in Residence war. Ihr Buch Von der Rückseite des Mondes schildert in Form von Prosaminiaturen ihre Beobachtungen, Erfahrungen und Erkenntnisse. Der Band erschien im BACOPA-Verlag in einer Reihe Publikationen mit China-Bezug; auf dem Cover sieht man eine Abbildung der aufgeschnittenen Drachenfrucht (Pitahaya), eines der mit Filtern bearbeiteten Original-Schwarzweißfotos der Autorin, die das Buch illustrieren.
Obwohl die Erzählerin von Beginn an die bescheidene Haltung einer "Europäerin unter fremden Bäumen" einnimmt, stellt die Leserin/der Leser bald fest, dass Monika Littau ihre Reise nicht ohne gewichtige geistige Ausrüstung angetreten hat. Gleich in dem ersten Satz - mit den "fremden Bäumen" - findet sich eine Referenz zu Goethes Wahlverwandtschaften. Notizen und Querverweise auf eine Fülle relevanter Literatur von Laotse und Konfuzius über Richard Wilhelm bis Bertold Brecht und Mao Zedong begleiten uns durch das Buch und zeugen von einer eindrucksvollen Recherche. Dabei gelingt es der Autorin, ihre Wahrnehmungen und Erkenntnisse in einem leichten, unterhaltsamen Schreibstil festzuhalten, der fast an taoistische Prosa-Texte erinnert, um uns direkt ins Bild zu setzten.
 So erleben wir, wie die Neuangekommene ihre Mobilgeräte einrichtet - ein Huawei-Handy mit Westsystem, ein anderes mit "fernem Ostsystem" (die Chinesen sind zwar hoch digitalisiert, nicht aber mit dem Westen kompatibel), und schon bald empfängt sie per WeChat Bilder und Infos von ihren Student*innen, den lächelnden jungen Menschen, die sich westliche Vornamen zulegen und gerne das Victory-Zeichen zeigen. Kurz darauf geht die Autorin in den Supermarkt einkaufen und trifft dort eine Kassiererin, welche die ganze Zeit nonchalant ihr Baby stillt und dabei Kunden bedient. Auf dem Straßenmarkt beobachtet Monika Littau die exotische Welt en miniature: Hähne und bunte Singvögel in Käfigen, Skorpione, Drachenfrüchte, daneben Bilder von Mao Zedong. Sie begegnet einem Mann, der mit den Kanarienvögeln im Käfig spricht.

Wenig später redet sie mit einer neuen Kollegin über die Geburtenpolitik im heutigen China und stellt fest, dass sich manches geändert hat: Es ist jetzt gewünscht, dass die Gebildeten, die Studierten, zwei Kinder in die Welt setzen, weil der Staat Angst vor Vergreisung der Gesellschaft hat. "Wie sollen die Frauen das denn noch schaffen?", wundert sich die Kollegin. - All diese Alltagserfahrungen beweisen: China ist anders und es gibt viel Anlass zum Staunen. Umso mehr reizt es die Autorin, sich selbst als "Gastchinesin" neu zu erfinden. So bildet sie aus den Anfangssilben ihres Vor- und Nachnamens ihren neuen chinesischen Namen, Mo Li, und stellt erfreut fest, dass er "Jasmin" - oder, anders ausgesprochen, "Zauberkraft" - bedeutet.
Das Poetisch-Spielerische, das die traditionelle chinesische Kultur kennzeichnet und sich z.B. in der Namensgebung von Menschen, Orten und Gegenständen äußert, spricht die Autorin sehr an. Dabei verliert sie aber nie den kritischen Blick auf das, was das Land mit einer langen totalitaristischen Geschichte bis heute prägt: die allgegenwärtige Überwachung mit Kameras (sogar im eigenen Treppenhaus), die Benachteiligung der Frauen und die katastrophalen Folgen der Ein-Kind-Politik, die Pläne der Regierung, ein Sozialpunkte-Konto für jede/n einzurichten ("Wenn es so weit ist, dann dürfen die Menschen mit wenig Punkten nicht mehr mit der Bahn fahren und nicht mehr fliegen, auch nicht mehr am Arbeitsplatz befördert werden." S. 46), und vieles andere mehr.
Interessant und vielschichtig sind auch die Erwägungen der deutsch-chinesischen Beziehungen und gegenseitiger Beeinflussung in Quingdao, das zwischen 1898 und 1919 als Kolonie zum Deutschen Reich gehörte. Vom Kaiser Wilhelm II ist die Rede, aber auch von Richard Wilhelm, der die chinesische Philosophie und Kultur durch sein Werk "Die Seele Chinas" (1925) in Europa bekannt gemacht hat.
Das moderne China wird im Buch unter anderem durch die Ambition, die Rückseite des Mondes zu erkunden, charakterisiert. Zur Zeit der Entstehung des Buchs planten die Chinesen einen Erkundungs-Rover auf die Rückseite des Mondes zu bringen und hatten bereits einen Übertragungssatelliten hingeschickt, der helfen sollte, Bilder auf die Erde zu senden. Später, am 3. Januar 2019, landete die Raumsonde, die den Namen der chinesischen Mondgöttin Chang'e trägt, tatsächlich auf der Rückseite des Mondes.
Das Motiv der "Rückseite des Mondes" steht natürlich metaphorisch für das Unbekannte, worüber die meisten von uns nur vage Ideen haben. Um dem Geheimnis China ein Stückchen näherzukommen, empfiehlt es sich sehr, diese einfühlsamen und dabei höchst unterhaltsamen, durch gute Recherchen fundierten Prosaminiaturen von Monika Littau zu lesen.

 

Monika Littau: Von der Rückseite des Mondes. Chinesische Miniaturen. Schiedlberg: Bacopa 2019. Mit Fotos. 108 S. Preis 19 Euro 80. ISBN 9783903071728

Besprochen von Wolfgang Kubin

Schreibende aus Deutschland sind schon seit langem nach China unterwegs, zunächst eben als Schreibende, nicht schon wie seit jüngster Zeit als Unterrichtende. Im ersten Fall waren sie „poet in residence“, von der einen Regierung eingeladen, von der anderen Regierung geschickt. Und im zweiten Fall?

Zwischen 2012 und 2016 war ich für vier Jahre Leiter der Deutschabteilung an der Ocean University von Qingdao (Tsingtau), der „glücklichsten Stadt Chinas“ (S. 76). Ich unterrichtete meist Übersetzungswissenschaft, ansonsten hatte ich Personal aus der Heimat einzuladen, insbesondere für die Sommerkurse. So kamen die „Schreibkräfte“ Hans Christoph Buch (Berlin), Ulrich Bergmann (Bonn), Monika Littau (Bonn) und Wulf Noll (Düsseldorf). Sie lehrten nicht nur deutsche Literatur, sondern sie lasen auch aus ihren Werken, mitunter mit mir. Und sie schrieben schließlich über ihren mehrwöchigen Aufenthalt.

So die im Literaturbetrieb von NRW so eifrige Monika Littau. Sie kam 2017 mit einem für mich seltsamen Satz aus meiner chinesischen Lieblingsstadt zurück: „Ich habe China nicht gefunden.“ Da war ich baff. Mein Lieblingsgebäude, die deutsche Gouverneursvilla, fand sie einen „Ausbund an Hässlichkeit“. (S. 74) Ich hatte sie vor ihrer Abreise Mo Li getauft. Ihre Schülerinnen mochten diesen Namen, denn er bedeutete, zu moli 茉莉 zusammengezogen, Jasmin. (S. 23) Unsere Mo Li kam also mit manch chinesischem Allerlei an, mit einem Lenovo und mit einem Handtelefon von Huawei. Da war sie doch bestens vorbereitet, wieso meint sie, sich auf der „Rückseite des Mondes“ zu befinden?

Der Titel der Miniaturen ist natürlich vielschichtig, Pink Floyd und Chang’e 4 machen hier gemeinsame Sache (S. 92-95). Doch „Andersens Märchen“, eine Ausgabe von 1938, hatten unserer Bonnerin einen Streich gespielt. (S. 82) Das dänische Märchen war nicht zu finden! Wiewohl eine dänische Villa vor Ort wegen ihrer Liebesgeschichte viele Menschen anzieht, so einst auch mich.

Ist die Autorin vielleicht Vorurteilen aus ihrer Kindheit nachgeeilt? Nun hat der Philosoph Hans-Georg Gadamer (1900-2002) vor langem das Vorurteil als Vorurteil rehabilitiert. Er war der Auffassung, daß wir oftmals erst über dasselbe zum Nachdenken und damit zu einem Urteil finden! Und so fand Monika Littau mit Rückgriff auf Goethe zu ihren neuen Seelenräumen. (S. 7)

Was waren denn dann ihre seligen Feen? Es waren ihre Schülerinnen mit ihren Ringelhemden und roten Liedern (S. 38f), mit ihren schönen Füßen und der weißen Haut (S. 82f), mit ihren Turnschuhen und ihrer Hilfsbereitschaft, maschinelle Übersetzungen als Dolmetscherdienste einzurichten. Monika Littau ist eine moderne Frau, also versteht sie, im Gegensatz zu mir mit der neuesten Technik umzugehen. Was ist eine Chinesin ohne ihre Mobilgesellschaft, sprich WeChat etc.? Unsere Dozentin hat Chinesisch nicht erlernt, also läßt sie einen Apparat für sich dolmetschen. Die Ergebnisse sind allerdrolligst. (S.35) Sie belegen auf das schönste das völlige Unverständnis einer Maschine für den Menschen.

Und was ist mit den Vorurteilen von Jasmins Schützlingen und Bekannten? Die eine kommt aus Berlin wieder und sagt: „zu viele Ausländer!“ (S. 41) Der andere blickt auf Paris zurück und meint: „Europa ist nicht modern.“ (S. 40) Die Antworten unserer Kurzzeitdozentin läßt mich an Bonn denken: Die Stadt am Rhein schmückt sich seit kurzem mit einem „Urban Soul“ genannten Platz, natürlich zum Einkaufen gedacht. Ich halte es mit meiner schreibenden Kollegin, die das Wesen einer Stadt auf Rathaus, Marktplatz und Kirche beschränkt. (S. 40f)

Ich habe die Miniaturen längst meiner chinesischen Studentenschaft an der Universität Shantou vorgestellt, wir hatten viel über eine zu diskutieren, die auszog, um das Wundern zu lernen.

 

Einige der Pressemeldungen

Als Schriftstellerin hat Monika Littau ein geeignetes Instrument der Selbstvergewisserung: Das Schreiben. Sie hat Momentaufnahmen ihrer China-Zeit wach aufgezeichnet. Sie wählte die knappe Form. So entstand ihr neues Buch….Dafür greift sie Bruchstücke des Gesehenen, Erfahrenen auf, isoliert Details, lässt Assoziationen aufsteigen, fragt, macht sich Gedanken zum Erlebten, ein offener Prozess. Subjektiv gesponnene Verknüpfungen laden den Leser ein, dem Kaleidoskop eigene Überlegungen und Empfindungen hinzuzufügen.“
::: Blick aktuell, Hildegard Ginzler

 

Littau …sah sich die Stadt (Qingdao) an, die in den Jahren von 1898 bis 1919 als Kolonie zum Deutschen Reich gehörte. Die Remagenerin war begeistert von der chiensischen Kultur und Philosophie der Vergangenheit und betroffen von mancherlei Zerstörungen. Sie fremdelte mit exerzierenden Erstsemestern, realisierte stete Überwachung...“
::: Bonner Generalanzeiger, Hildegard Ginzler

 

Obwohl die Erzählerin von Beginn an die bescheidene Haltung einer 'Europäerin unter fremden Bäumen' einnimmt, stellt die Leserin/der Leser bald fest, dass Monika Littau ihre Reise nicht ohne gewichtige geistige Ausrüstung angetreten hat. Gleich in dem ersten Satz - mit den 'fremden Bäumen' - findet sich eine Referenz zu Goethes Wahlverwandtschaften. Notizen und Querverweise auf eine Fülle relevanter Literatur von Laotse und Konfuzius über Richard Wilhelm bis Bertold Brecht und Mao Zedong begleiten uns durch das Buch und zeugen von einer eindrucksvollen Recherche. Dabei gelingt es der Autorin, ihre Wahrnehmungen und Erkenntnisse in einem leichten, unterhaltsamen Schreibstil festzuhalten, der fast an taoistische Prosa-Texte erinnert, um uns direkt ins Bild zu setzten.“
::: fixpoetry, Klára Hůrková

 

Aus Bruchstücken setzt sich ein chinesisches Mosaik, des Einzigartigen, der Gegensätze und des Gleichgemachten zusammen.“
::: Dorstener Zeitung, Anke Klapsing-Reich

 

Das Buch ist in Komplementärfarben getaucht, mit Monika Littaus eigenen Fotos bereichert, die zwar vor Ort entstanden, aber durch die Filter eine ebensolche Veränderung ins Allgemeingültige vollzogen, wie der literarische Blick auf ein persönliches Wagnis. Es ist ein Buch vom Ankommen. Ein Buch für China-Interessierte. Ein Buch, auf das ich gewartet habe. Es sind, … literarische Momentaufnahmen viele Beobachtungen und mehr Fragen als Antworten. Die Fragen jedoch führen zum chinesischen Traum und zu ihren Träumern, die auch auf der Rückseite des Mondes spazieren gehen. Es öffnet sich der Wald und wir treten auf die Lichtung globaler Seelenräume.“
::: Jana Franke

Verlag[Firma Bacopa Verlag]
ISBN9783903071728
Auflage1
Sprache(n) Deutsch
Ausführung Gebunden
Erschienen2019
Seitenzahl112
Illustrationenzahl112
FormatH 21,4 x B 14,4 cm
Cover Hardcover
Autor/in Monika Littau (Autor/in)