Der Chinesische Zauberhut - Philosophische Fabeln aus dem alten China. Deutsch/Chinesisch

Von Shuhong Li (Autor/in)., Martin Krott (Übersetzer/in)., Werner Gabriel (Vorwort). | 154 Seiten | Erschienen: 30. 04. 2019 | ISBN: 9783903071681 | 1.Auflage

Wenn man die chinesischen Klassiker auch nur oberflächlich durchblättert, fällt sofort auf, dass die Texte in überwältigendem Ausmaß aus Erzählungen bestehen. Die Geschichten handeln von alten weisen Königen, von Gesprächen mit Fürsten und Königen, bieten aber auch einiges an Tratsch über anwesende und abwesende Mitglieder der Gesprächsrunden der verschiedenen Philosophenschulen.

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Gerade deswegen wird immer wieder behauptet, dass die alten Chinesen nicht die leiseste Ahnung von Philosophie hätten. Das Geschäft von Philosophen sollte darin bestehen, Begriffe, Sätze und moralische Urteile nach Strich und Faden zu zerlegen und wieder zusammen zu setzen.
Als Konfuzius am Fuße des Tai-Berges vorbei kam, traf er auf eine Frau, die bei einem Grab weinte und schluchzte. Er fragte: Du weinst, als ob Du Sorgen über Sorgen angehäuft hättest. Die Frau antwortete: So ist es. Der Vater meines Mannes wurde hier von einem Tiger getötet, ebenso mein Mann; und jetzt hat meinen Sohn das gleiche Schicksal ereilt. Konfuzius fragte sie, warum sie dann einen solchen Ort nicht verließe. Als sie antwortete: Weil es hier keine Regierung gibt, die unterdrückt wandte er sich zu seinen Schülern und sagte: Eine repressive Regierung ist grausamer als ein Tiger.
Wie belehrt uns eine solche Geschichte? Sie ist keine Einkleidung von vorausgesetzten Begriffen, keine Allegorie. Die Konfuzianer beharren auch in den theoretischen Erörterungen auf dieser Rückbindung des Allgemeinen an die Unmittelbarkeit des Erlebens im Erzählen. Ob das Ereignis wirklich stattgefunden hat oder erlebte Phantasie ist, spielt keine Rolle.
Konfuzius sagt: Vom Nächsten ausgehend Vergleiche ziehen, das kann man die Methode der Mitmenschlichkeit nennen.
 Das Erzählen setzt grundsätzlich schon eine konkrete unmittelbare mitmenschliche Erfahrung, ein Verstehen, voraus. Wenn man die erste Erfahrung der konkreten Mitmenschlichkeit in der Familie erweitert bis zum Staat und zum Reich, dann ist eine gute, menschliche Gesellschaft möglich.
 Die geordnete Erfahrung begründet daher eine Erfahrungslogik, die Schritt für Schritt voran schreitet, den Reichtum des Wissens ermöglicht und zum richtigen Handeln führt.
 Diese konkreten Erfahrungen werden durch Geschichten vermittelt.
 Werner Gabriel, Prof.i.R. am Institut für Philosophie der Universität Wien
Der Chinesische Zauberhut. Philosophische Fabeln aus dem alten China.
 Fabeln entstehen gewöhnlich in der kulturellen Blütezeit eines Volkes, wenn der Zenith überschritten ist und der Verfall beginnt. Nach dem deutschen Kulturphilosophen Oswald Spengler erreichte die chinesische Kultur ihren Zenith vor 2500 Jahren am Ende der Zhou-Dynastie, während der sogenannten Frühling- und Herbstperiode der streitenden Reiche. Im damaligen China ritterten die Fürsten um die Macht. Die lokalen Herrscher scharten Literaten um sich und hörten ihre politischen Ideen an. Sie ließen sie Strategien und Pläne für ihr Herrschaftsstreben entwickeln. Eine Zeit lang war Gedankenfreiheit en Vogue. Im Volk traten unabhängige Denker auf und formten die in der chinesischen Geschichte berühmte Periode der hundert streitenden Schulen. Es war die goldene Zeit des chinesischen Denkens und der geistigen Kultur. Bekannte und unbekannte Literaten und Intellektuelle bedienten sich einer ausgefeilten Sprache und bildhafter Vergleiche, um ihre Ansichten über die aktuelle Politik zum Ausdruck zu bringen, um Warnungen und Ratschläge in Form von Fabeln auszusprechen. Die Fabeln wurden zu einer populären literarischen Form. Jene Zeit brachte die hervorragendsten und weisesten chinesischen Fabeln hervor, viele sind Perlen der Weisheit, die bis heute populär geblieben sind, da ihre Bedeutung immer noch aktuell ist. Jede Fabel gleicht einem Zauberhut. Der Hut ist zwar nicht groß, aber der Leser kann aus ihm sehr viele Dinge entnehmen, sogar solche, die wesentlich größer als der Hut selbst sind. Kinder ebenso wie Erwachsene können aus diesen Fabeln für sich selbst nützliche Lehren ziehen. Die chinesische Frühling- und Herbstperiode der streitenden Reiche ist schon lange her aber durch ihre Fabeln können wir uns den Weisen jener Zeit nähern. Für den Gebildeten solcher Zeiten ist der Weise das große Ideal. (Oswald Spengler)
 In diesem kleinen Büchlein sind 20 Fabeln mit Illustrationen enthalten. Sie sind für Leser unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Bildung geeignet. Die Fabeln wurden von den Freunden, denen wir sie vorgelesen haben, gut aufgenommen, sie sind unterhaltsam, interessant und anregend.
nhaltsverzeichnis
 1. Der Brunnen des Wahnsinns
 2. Schlangen haben keine Beine
 3. Ein Pedant kauft Schuhe
 4. Wenn Schnepfe und Muschel streiten, freut sich der Fischer
 5. Die Wunderwaffe
 6. Graf Zhao lernt Wagenlenken
 7. Der Fisch auf dem Trockenen
 8. Warten auf Hase
 9. Ein Esel kommt selten allein
 10. Herrn Yes Vorliebe für Drachen
 11. Der Weise verliert sein Pferd
 12. Brunnenfrosch und Meeresschildkröte
 13. Zikade, Gottesanbeterin, Amsel und Mensch
 14. Wahre Schönheit kommt von Innen
 15. Der geschenkte Gaul
 16. Esel und Tiger
 17. Die durchstoßenen Pflaumen
 18. Kröte und Schlange
 19. Ein Korinthenkacker verliert sein Schwert
 20. Tigerfalle
 
REZENSIONEN
Li Shuhong 李述鸿 (Hg. und Ill.). Der chinesische Zauberhut: Philosophische Fabeln aus dem alten China. Deutsch/Chinesisch, üs. von Martin Krott/Modai: Zhongguo yuyan gushi xinhui 魔袋: 中国寓言 故事新绘. Schiedlberg: Bacopa 2019. 154 S., mit farbigen Illustratio- nen. ISBN 978-3-903071-68-1

 Darf man Bücher von Freunden besprechen? Ich bin Martin Krott, dem Mitarbeiter vorliegenden Bandes, 1974 in Peking begegnet. Seitdem verbinden uns nicht nur die Berge. Ich habe im China der Kulturrevolution auch René Wagner kennengelernt, der nach seiner Rückkehr zur Frankfurter Allgemeinen ging. Er erklärte uns Heimkehrern sehr bald, er könne und wolle für uns nichts tun, also keine Empfehlungen, keine Rezensionen etc.
 Ich habe vielleicht bereits 250 Rezensionen für andere, auch Freunde, geschrieben, aber die Beglückten haben so gut wie nie mich rezensiert. Die Rezension ist in der Sinologie gleichsam heimatlos. Ich habe dem abzuhelfen versucht und werde entsprechend von allen Seiten bestürmt.
 Was mich am Chinesischen Zauberhut interessiert, ist das Folgende: 1. Hier arbeitet ein österreichisch-chinesisches Team zusammen, ein Ehepaar. Die eine schreibt, der andere übersetzt. Zielpublikum dürften Kinder und Jugendliche sein. Die Autorin illustriert ihr Werk humorvoll von eigenen Gnaden. 2. Das Thema: Philosophische Fabeln. 2018 habe ich bei Herder ebenfalls einen Band Fabeln (Han Fei Zi) herausgegeben. Und es ist eben besagter Meister Han (280–233), der hier prominent neben dem daoistischen Denker Zhuang Zi (vielleicht 365–290) vor- kommt. 3. Alte Geschichten neu erzählt, so der chinesische Untertitel, geht auf Lu Xun (1881–1936) zurück. Wir erzählen also beim Schreiben immer wieder nur neu?! 4. Die Fabeln enden mit einer Frage an die Leserschaft, die sich so zusammenfassen lässt: Was denkst Du? Was hättest Du getan? Es geht also um Moral. Schreiben also als schöne Moritat?
 Die Geschichten, die uns wieder erzählt werden, kennen wir schon, wenn wir mit der chinesischen Antike vertraut sind, aber wir kennen noch nicht die Ausschmückung: Die ursprünglichen Fabeln sind sehr kurz, hier bekommen wir „großes Theater“ serviert, so dass wir neu nachdenken müssen.
 Das Buch ist schön und aufwendig gedruckt. Es empfiehlt sich, es geliebten Personen, ob jung oder alt, vorzulesen und es anschließend gemeinsam zu diskutieren!
 Wolfgang Kubin

Verlag[Firma Bacopa Verlag]
ISBN9783903071681
Auflage1
Sprache(n) Chinesisch
Ausführung Gebunden
Erschienen2019
Seitenzahl154
Illustrationenzahl154
FormatH 20,4 x B 13,4 cm
Cover Hardcover
Autor/in Shuhong Li (Autor/in) , Martin Krott (Übersetzer/in) , Werner Gabriel (Vorwort)