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Dr. Ploberger Florian

Wie TCM-Rezepturen aufgebaut sind und wie man sie variieren kann

1. Die wichtigen vier Bestandteile einer klassischen Rezeptur (Kaiser-Kraut, Minister-Kraut, Helfer-Kraut, Boten-Kraut)
Rezepturen sind in der chinesischen Medizin nicht einfach eine Zusammenfügung medizinischer Substanzen. Die Wirkungen mehrerer Kräuter lassen sich nicht einfach addieren, es handelt sich vielmehr um komplexe Rezepte, in denen sich die enthaltenen Wirkstoffe gegenseitig beeinflussen und in ihrer Wirkung ergänzen.
Eine Rezeptur ist nur dann wirksam, wenn alle enthaltenen Substanzen sorgfältig aufeinander abgestimmt sind, um eine exakte Wirkung zu erzielen und Nebenwirkungen zu vermeiden. Die Kombination von Substanzen mittels Rezeptur wirkt wesentlich effizienter und ganzheitlicher als eine Einzelsubstanz.

Klassische TCM-Rezepturen zeichnen sich durch ihren Aufbau aus: Die meisten Rezepturen enthalten zumindest drei der vier Hauptbestandteile (siehe Abb.):
Kaiser-Kraut (jun)
Minister-Kraut (chen)
Helfer-Kraut (shi)
Boten-Kraut (zuo).
Kaiser-Kraut
jun bedeutet Kaiser (Englisch: Chief"): Das Kaiser-Kraut ist das wichtigste Kraut einer Rezeptur und besitzt den größten Teil der Wirkung.
Der Kaiser war im früheren China die bedeutendste Persönlichkeit. Dementsprechend besitzt das Kaiser-Kraut die entscheidende Heilqualität und weist oft auch die höchste Dosis der verordneten Kräuter auf. Traditionelle chinesische Rezepturen sind oft nach dem Kaiser-Kraut benannt worden.
Das Kaiser-Kraut ist für die Rezeptur unumgänglich.
Weitere Bezeichnungen für jun lauten: Monarch, Herrscher, König, Leitsubstanz.
Minister-Kraut
chen bedeutet Minister (Englisch: Deputy"): Das Minister-Kraut unterstützt das Kaiser-Kraut bei der Behandlung des Hauptsymptoms. Außerdem hat es eventuell noch zusätzliche, für den Patienten heilsame Wirkqualitäten, die über den Wirkmechanismus des Kaiser-Krautes hinausgehen. So behandelt das Minister-Kraut gleichzeitig vorhandene weitere Krankheitsmerkmale.
Beispielsweise kann bei einer Rezeptur, die zusammengestellt wurde, um einen Qi-Mangel zu behandeln, das Kaiser-Kraut lediglich dem Qi-Mangel entgegenwirken. Das Minister-Kraut könnte sowohl Qi als auch Blut tonisieren.
Weitere Bezeichnungen für chen lauten: Adjutant, Partnersubstanz.
Helfer-Kraut
zuo bedeutet Assistent (Englisch: Assistant"): Das Helfer-Kraut, das manchmal auch als Polizei-Kraut oder Assistenten-Kraut bezeichnet wird, verstärkt die Wirkung von Kaiser- und Minister-Kraut. Darüber hinaus vermindert es deren Toxizität und besitzt zuweilen antagonistische Wirkung zu dem Kaiser-Kraut.
Weitere Bezeichnungen für zuo lauten : Polizei-Kraut, Assistenten Kraut.
Boten-Kraut
shi bedeutet Übermittler (Englisch: Envoy"): Dieses Kraut stellt eine Besonderheit im Aufbau einer TCM-Rezeptur dar. Das als Boten-Kraut bzw. Botschafts-Kraut bezeichnete Kraut leitet die Wirkung auf einen bestimmten Meridian oder eine bestimmte Körperregion hin. Darüber hinaus harmonisiert das Übermittlerkraut die Wirkung der oben angeführten Heilkräuter.
Weitere Bezeichnungen für shi lauten: Führer, Dirigent.
Die Dosierung der einzelnen Ingredienzien einer Rezeptur spielt in der Hierarchie eine bedeutende Rolle, was in manchen Fällen recht schwierig sein kann. Oft wird gesagt, dass das Kaiser-Kraut am höchsten dosiert sein soll. Diese Aussage bezieht sich jedoch auf die für diese Zutat normale Dosierung. Betrachten wir z. B. zwei Kräuter. Die normale Dosierung des einen sei 36 Gramm, die des anderen 1218 g. Werden nun 6 g der ersten und 12 g der zweiten Substanz für eine bestimmte Rezeptur verwendet, so wäre die relative Dosierung der ersten größer als jene der zweiten. Erstere wäre daher als Kaiser-Kraut und die zweite als Minister-Kraut wirksam.
Natürlich weisen nicht alle Rezepturen die vier angeführten Bestandteile auf. Wenn weder Kaiser- noch Minister-Kraut toxisch sind, besteht kein Bedarf an einem Helfer-Kraut. In der Regel sind Kaiser- und Minister-Kraut vorhanden; Helfer- und Boten-Kraut können gelegentlich fehlen. Doch gerade sie stellen eine typische Eigenschaft der TCM dar.
Auch gibt es Rezepturen, bei welchen die Hierarchie der Ingredienzien nicht immer so einfach strukturiert ist und nicht alle Ingredienzien die gleiche Bedeutung haben, wie z. B. die Rezepturen Wu ling san (5-Bestandteile-Pulver mit Poria cocos) und Wu pi san (5-Schalen- Pulver).

2. Beispiele für den Aufbau klassischer Rezepturen
Um den Aufbau klassischer TCM-Rezepturen detailliert analysieren zu können, sind im folgenden Kapitel fünf Rezepturen beschrieben:
Bu zhong yi qi tang (Dekokt, das die Mitte tonisiert und das Qi vermehrt)
Si jun zi tang (Dekokt der vier Edlen)
Tian wang bu xing tang (Pille des Himmelsherrschers, die das Herz tonisiert)
Ban xia bai zhu tian ma tang (Dekokt mit Pinellia, Atractylodes macrocephala und Gastrodia)
Liu wei di huang wan (6-Bestandteile-Pille mit Rx. Rehmanniae).

Bu zhong yi qi tang (Dekokt, das die Mitte tonisiert und das Qi vermehrt)
Quellentext
Piwei lun
Bestandteile
Rx. Astragali (Huangqi) 9 g Kaiser-Kraut
Rx. Glycyrrhizae tosta (Zhigancao) 3 g Minister-Kraut
Rx. Ginseng (Renshen) 9 g Minister-Kraut
Rx. Angelicae sinensis (Danggui) 6 g Helfer-Kraut
Pericarpium Citri reticulatae (Chenpi) 6 g Helfer-Kraut
Rz. Cimicifugae (Shengma) 3 g Boten-Kraut
Rx. Bupleuri (Chaihu) 3 g Boten-Kraut
Rz. Atractylodes macrocephalae (Baizhu) 9 g Minister-Kraut
Wirkung
Unterstützt die Mitte des Mittleren Erwärmers
Stärkt das Qi
Trägt das Yang empor und hebt das Abgesunkene
Beschreibung der klassischen TCM-Rezeptur
Von besonderem Interesse sind in dieser Rezeptur die beiden Boten-Kräuter, nämlich Rx. Bupleuri (Chaihu) und Rz. Cimicifugae (Shengma). Diese Kräuter besitzen eine nach oben gerichtete Wirkrichtung.
Bu zhong yi qi tang ist eine klassische Rezeptur des Piwei lun, der deutsche Titel dieses Werkes lautet Abhandlungen über Milz und Magen.
Der Autor Li Dong-yuan hat im Jahr 1248 n. Chr. seine praktischen Erfahrungen in diesem Werk zusammengefasst. Li Dong-yuan gilt als der berühmteste Vertreter der so genannten Schule der Mitte. Das so genannte Piwei lun ist sein Meisterwerk und steht auch heutzutage noch auf dem Lehrplan der TCM-Universitäten in China.
Die Rezeptur Bu zhong yi qi tang wird hauptsächlich zur Behandlung einer allgemeinen Schwäche, von immer wiederkehrenden Fieber, plötzlichen Schweißausbrüchen, einer Abneigung gegenüber Kälte, Kurzatmigkeit; dem Verlangen, zusammengerollt zu liegen; Schwäche der Extremitäten sowie einer blass-fahlen Gesichtsfarbe und weichen oder wässrigen Stühlen eingesetzt.
Zunge: blasser Zungenkörper mit dünnem, weißem Belag
Puls: leer (xu)
Entsprechende westliche Krankheitsbilder
Chronische Bronchitis
Uterusprolaps
Rektumprolaps
Leukorrhö
Gastroptose
Postpartale Probleme
Alle oben angeführten Beschwerden entstehen durch eine Schwäche des Qi, die dazu führt, dass das klare Yang nicht aufsteigen kann bzw. dazu, dass die Organe nicht an ihrer angestammten Lokalisation festgehalten werden können.
Ein Symptom, das früh auftreten kann, ist Durchfall. Eine Schwäche des Milz-Qi kann des Weiteren dazu führen, dass die Milz die Kontrolle über die Blutgefäße verliert, wodurch chronische Blutungen auftreten können.
Darüber hinaus kann die Rezeptur für Menschen, die unter chronisch-erhöhter Körpertemperatur leiden, eingesetzt werden. Aus diesem Grund wird sie auch heute in China bei Fieber unbekannter Ursache häufig verschrieben. An dieser Stelle sei nochmals betont, dass die Rezeptur Bu zhong yi qi tang natürlich nicht bei allen Arten von Organsenkungen verschrieben werden kann, sondern immer nur dann, wenn dafür ein Qi-Mangel als Hauptursache vorliegt.
Analyse der einzelnen Kräuter
Das Kaiser-Kraut der Rezeptur ist das süße, leicht scharfe, thermisch warme Rx. Astragali (Huangqi). Dieses stärkt allgemein das Qi bzw. das Wei-Qi und hebt das Yang von Milz und Magen.
Die Minister-Kräuter Rx. Ginseng (Renshen) oder Rx. Codonopsitis (Dangshen), welches billiger ist und deswegen in China oft an Stelle von Rx. Ginseng (Renshen) verschrieben wird, Rx. Atractylodis macrocephalae (Baizhu) und Rx. Glycyrrhizae tosta (Zhigancao) tonisieren das Milz-Qi. Für eine genaue Analyse dieser vier Kräuter sei auf die Rezeptur Si jun zi tang verwiesen.
Das Helfer-Kraut Rx. Angelicae sinensis (Danggui) tonisiert Qi und Blut. Damit unterstützt es die Qi tonisierenden Kräuter. Es gibt einen Spruch in der chinesischen Medizin, den alle Studenten auswendig lernen. Dieser lautet sinngemäß: Qi bewegt Blut und Blut ist die Mutter des Qi.In dieser Rezeptur wird Rx. Angelicae sinensis (Danggui) eingesetzt, um die Qi tonisierenden Kräuter zu unterstützen. Pericarpium Citri reticulatae (Chenpi), ein weiteres Helfer-Kraut, reguliert die Qi-Zirkulation. Es befindet sich aus zwei Gründen in dieser Rezeptur: 1. unterstützt es den Verdauungsprozess sowie die Resorption der Qi tonisierenden Kräuter, die sehr nährend und schwer zu verdauen sind. 2. unterstützt es die aufsteigende Bewegungsrichtung der Boten-Kräuter.
Diese sind: Rz. Cimicifugae (Shengma) und Rx. Bupleuri (Chaihu). Beide Kräuter helfen, das Yang-Qi nach oben zu bringen und unterstützen damit das Kaiser-Kraut Rx. Astragali (Huangqi) in seiner Wirkung.


Si jun zi tang (Dekokt der vier Edlen)
Quellentext
Taiping huimin hejiju fang
Bestandteile
Rx. Ginseng (Renshen) 6 g Kaiser-Kraut
Rz. Atractylodis macrocephalae (Baizhu) 6 g Minister-Kraut
Sclerotium Poriae cocos (Fuling) 6 g Helfer-Kraut
Rx. Glycyrrhizae tosta (Zhigancao) 3 g Boten-Kraut
Wirkung
Tonisiert das Qi
Tonisiert die Milz
Beschreibung der klassischen TCM-Rezeptur
Si jun zi tang ist eine der Basisrezepturen der chinesischen Medizin. Diese wird eingesetzt, wenn allgemein das Qi tonisiert werden soll. Sie zählt sicherlich zu den Bekanntesten aller TCM-Rezepturen. Energetisch ist sie, obwohl sie nur 4 Kräuter enthält, relativ ausgeglichen und kann immer dann verschrieben werden, wenn ein Milz-Qi-Mangel die Ursache für einen allgemeinen Qi-Mangel ist.
Obwohl die Rezeptur ausgeglichen ist, wird sie so gut wie nie ohne Abänderung bzw. Ergänzung verschrieben. Si jun zi tang dient als Basisrezeptur, die durch die Zugabe weiterer Kräuter ergänzt wird. Beispielsweise befinden sich die Kräuter von Si jun zi tang auch in der bereits angeführten Rezeptur Bu zhong yi qi tang. Klassische Texte beschreiben, dass eine übermäßige Einnahme von Si jun zi tang zu trockenem Mund, Durstgefühl und Unruhezuständen führen kann. Die Rezeptur sollte − ohne Abänderung − nicht bei hohem Fieber, bei Leere-Hitze sowie bei Unruhezuständen, Durst und Verstopfung verschrieben werden.
Si jun zi tang ist eine klassische Rezeptur, die das Milz-Qi, das aufgrund von falschen Ernährungsgewohnheiten sowie Arbeitsüberlastungen geschwächt wurde, tonisiert. Wenn ein Milz-Qi-Mangel vorliegt, führt dies dazu, dass keine ausreichende Transformation der Nahrungsmittel in Körpersäfte (Jinye) und damit auch in Blut stattfindet. Aus diesem Grund ist Si jun zi tang bei Symptomen wie Blässe des Gesichtes sowie einer leisen Stimme indiziert. Bei einem Milz-Qi-Mangel ist die Transportfunktion des Verdauungstraktes eingeschränkt, deswegen haben entsprechende Patienten weniger Appetit und einen ungeformten Stuhl. Die Milz ist für das Körpergewebe zuständig. Aus diesem Grund lässt sich erklären, dass ein Schwächegefühl des Körpers sowie eine rasche Ermüdbarkeit der Muskulatur Indikation für die Verschreibung von Si jun zi tang sind.
Zunge: blasser Zungenkörper
Puls: dünn (xi)
Entsprechende westliche Krankheitsbilder
Chronische Gastritis
Meteorismus
Diabetes mellitus
Leicht gelblicher Teint im Bereich des Gesichtes und der Handinnenflächen
Postoperativ, um die Erholungszeit zu beschleunigen
Zellulitis
Analyse der einzelnen Kräuter
Das Kaiser-Kraut Rx. Ginseng (Renshen) besitzt einen süßen, leicht bitteren Geschmack und ist thermisch leicht warm. Es tonisiert das Yuan-Qi; stärkt Lungen, Milz und Magen, kräftigt das Herz-Qi, fördert die Bildung der Körpersäfte und beruhigt den Geist (Shen). In den meisten Fällen wird Rx. Ginseng (Renshen) durch Rx. Codonopsitis (Dangshen) ersetzt. Dies hat einen einfachen Grund: Rx. Codonopsitis (Dangshen) kostet weniger als Rx. Ginseng (Renshen), wirkt jedoch nahezu identisch.
Das Minister-Kraut Rz. Atractylodis macrocephalae (Baizhu) ist bitter und süß, thermisch warm. Es tonisiert das Milz-Qi und trocknet Feuchtigkeit. Die beiden Kräuter ergänzen sich gegenseitig, um die Transport- und Umwandlungsfunktion der Milz zu stärken.
Das Helfer-Kraut Sclerotium Poriae cocos (Fuling) ist vom Geschmack her süß bzw. neutral (dieser Geschmack wird manchen Pilzen zugeordnet) und thermisch neutral. Die meisten neutralen Kräuter wirken diuretisch. Sclerotium Poriae cocos (Fuling) ist ein wichtiges Kraut in dieser Rezeptur, weil es einerseits das Milz-Qi tonisiert und andererseits hilft, Feuchtigkeit auszuleiten. Damit wirkt Sclerotium Poriae cocos (Fuling) der befeuchtenden Wirkung von Rx. Ginseng (Renshen) und Rx. Glycyrrhizae tosta (Zhigancao) entgegen.
Das Boten-Kraut dieser Rezeptur ist Rx. Glycyrrhizae tosta (Zhigancao). Dieses wärmt und reguliert den Bereich des Mittleren Erwärmers. Die vier Kräuter ergänzen sich gegenseitig und bilden eine harmonische, sehr effektive Rezeptur.


Tian wang bu xing tang (Pille des Himmelsherrschers, die das Herz tonisiert)
Quellentext
Shesheng mipou
Bestandteile
Rx. Rehmanniae glutinosae (Shengdihuang) 12 g Kaiser-Kraut
Rx. Ginseng (Renshen) 6 g Minister-Kraut
Tb. Asparagi (Tianmendong) 9 g Helfer-Kraut
Tb. Ophiopogonis (Maimendong) 9 g Helfer-Kraut
Rx. Scrophulariae (Xuanshen) 6 g Helfer-Kraut
Rx. Salviae miltiorrhizae (Danshen) 6 g Minister-Kraut
Sclerotium Poriae cocos (Fuling) 6 g Minister-Kraut
Rx. Polygalae (Yuanzhi) 6 g Minister-Kraut
Rx. Angelicae sinensis (Danggui) 6 g Minister-Kraut
Fr. Schisandrae (Wuweizi) 6 g Helfer-Kraut
Sm. Biotae (Baiziren) 9 g Minister-Kraut
Sm. Ziziphi spinosae (Suanzaoren) 9 g Helfer-Kraut
Rx. Platycodi (Jiegeng) 6 g Boten-Kraut
Wirkung
Nährt das Yin
Tonisiert das Blut
Tonisiert das Herz
Beruhigt Shen
Beschreibung der klassischen TCM-Rezeptur
Tian wang bu xing tang kann eingesetzt werden, um das Blut und Yin zu nähren, das Herz-Qi zu tonisieren und den Geist (Shen) zu beruhigen. Wenn eine Balance zwischen Herz und Nieren besteht und Feuer und Wasser in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen, befindet sich auch der Geist (Shen) in einem harmonischen Zustand. Die Rezeptur wurde konzipiert, um folgenden Symptomen auf Grund eines Blut- und Yin-Mangels entgegenzuwirken: innere Unruhe, Reizbarkeit, Aphten im Bereich der Mundschleimhaut, Urtikaria (Nesselsucht), Entzündungen der Mundschleimhäute, Nachtschweiß sowie Schlafprobleme.
Wie kommt es zu den eben angeführten Symptomen?
Bei einem Herz-Blut-Mangel können Palpitationen (Herzklopfen) sowie Vergesslichkeit und Ängstlichkeit auftreten. Bei einem Blut- und Yin-Mangel steigt Leere-Hitze aufwärts. Wenn diese den Herzbereich erreicht, resultieren daraus Unruhezustände, eine Konzentrationsschwäche sowie Schlafstörungen. Nachtschweiß und nächtliche Samenergüsse können aufgrund eines Yin-Mangels auftreten. Da die Zunge der Öffner des Herzens ist, manifestieren sich energetische Disbalancen des Herzbereiches auf der Zunge. Aus diesem Grunde werden regelmäßig Schleimhautdefekte im Mund von Menschen mit Herz-Feuer gefunden.
Zunge: roter Zungenkörpers mit wenig Zungenbelag
Puls: dünn (xi), schnell (shuo)
Entsprechende westliche Krankheitsbilder
Herzrhythmusstörungen
Menopausale Beschwerden
Chronische Urticaria
Neurasthenie
Nykturie
Palpitationen
Stenocardien
Aphten
Analyse der einzelnen Kräuter
Das Kaiser-Kraut Rx. Rehmanniae glutinosae (Shengdihuang) nährt das Yin und klärt Hitze. Sein spezieller Bezug zum Nieren-Yin (Wasser) trägt zur Kontrolle des Shen bzw. der Leere-Hitze (Feuer) bei. Zusätzlich kann Rx. Rehmanniae glutinosae (Shengdihuang) das Blut nähren.
Rx. Salviae miltiorrhizae (Danshen) und Rx. Angelicae sinensis (Danggui) nähren als Minister-Kräuter das Blut, ohne Stagnationen hervorzurufen. Die Kombination der Minister-Kräuter Sm. Biotae (Baiziren) und Rx. Polygalae (Yuanzhi) beruhigen den Geist (das Shen). Zwei weitere Minister-Kräuter, Rx. Ginseng (Renshen) und Sclerotium Poriae cocos (Fuling), nähren und beruhigen das Herz-Qi.
Tb. Asparagi (Tianmendong), Tb. Ophiopogonis (Maimendong) und Rx. Scrophulariae (Xuanshen) nähren das Yin und klären Leere-Hitze, ohne jedoch zu Feuchtigkeitsproblemen zu führen. Diese drei Kräuter dienen, ebenso wie die beiden folgenden, als Helfer-Kräuter. Fr. Schisandrae (Wuweizi) und Sm. Ziziphi spinosae (Suanzaoren) schützen durch ihre adstringierende Eigenschaft vor einem zusätzlichen Qi-Verlust.
Das Boten-Kraut dieser Rezeptur ist Rx. Platycodi (Jiegeng). Dieses Kraut leitet die Wirkung der anderen Kräuter in den Bereich des Oberen Erwärmers.


Ban xia bai zhu tian ma tang (Dekokt mit Pinellia, Atractylodes macrocephala und Gastrodia)
Quellentext
Yixue xinwu
Bestandteile
Rz. Pinelliae (Banxia) 9 g Kaiser-Kraut
Rz. Gastrodiae (Tianma) 6 g Kaiser-Kraut
Rz. Atractylodis macrocephalae (Baizhu) 12 g Minister-Kraut
Sclerotium Poriae cocos (Fuling) 6 g Helfer-Kraut
Pars Rubra Epicarpii Citri erythrocarpae (Juhong) 6 g Helfer-Kraut
Rz. Zingiberis officinalis recens (Shengjiang) 3 g Helfer-Kraut
Fr. Ziziphi jujubae (Dazao) 3 (Stück) Helfer-Kraut
Rx. Glycyrrhizae (Gancao) 3 g Boten-Kraut
Wirkung
Tonisiert das Milz-Qi
Wandelt Feuchtigkeit
Leitet Schleim aus
Vertreibt Wind
Beschreibung der klassischen TCM-Rezeptur
Die Rezeptur Ban xia bai zhu tian ma tang wird eingesetzt, um das Milz-Qi zu tonisieren, Feuchtigkeit umzuwandeln und Schleim und Wind auszuleiten. Typische Symptome, bei der die Rezeptur zur Anwendung kommen kann, sind: Vertigo (Schwindel), Cephalea (Kopfschmerzen), ein Druckgefühl im Bereich des Brustkorbes sowie Brechreiz und Erbrechen.
Typisch für die oben angeführten Kopfschmerzen ist, dass sie mit einem Gefühl des Druckes sowie mit einem Benommenheitsgefühl einhergehen.
Zunge: dicker, weißer Zungenbelag
Puls: gespannt (xian) und gleitend (hua)
Entsprechende westliche Krankheitsbilder
Morbus Menire
Benigner Vertigo
Cephalea
Hypertonie
Tuberkulöse Meningitis
Analyse der einzelnen Kräuter
Rz. Pinelliae (Banxia) wandelt als Kaiser-Kraut Feuchtigkeit und Schleim um und kann eingesetzt werden, um rebellierendes Qi bei Brechreiz und Erbrechen wieder nach unten zu leiten. Das zweite Kaiser-Kraut, Rz. Gastrodiae (Tianma), wandelt Schleim um, leitet Feuchtigkeit aus und kann eingesetzt werden, um Kopfschmerzen und Drehschwindel zu behandeln.
Rz. Atractylodis macrocephalae (Baizhu) dient in dieser Rezeptur als Minister-Kraut. Es tonisiert das Milz-Qi und wirkt Feuchtigkeit entgegen. Wenn es in Kombination mit den beiden Kaiser-Kräutern eingesetzt wird, unterstützt es deren Schleim ausleitende Funktion.
Das Helfer-Kraut Sclerotium Poriae cocos (Fuling) tonisiert das Milz-Qi und leitet Feuchtigkeit aus. Damit wird gleichzeitig die Ursache (der Milz-Qi-Mangel) als auch das Symptom (die Feuchtigkeit) behandelt. Das Helfer-Kraut Pars Rubra Epicarpii Citri erythrocarpae (Juhong) reguliert das Qi und wandelt Schleim um. Die Kombination der Helfer-Kräuter Rz. Zingiberis officinalis recens (Shengjiang) und Fr. Ziziphi jujubae (Dazao) wird eingesetzt, um Milz und Magen zu harmonisieren.
Rx. Glycyrrhizae (Gancao) harmonisiert die Wirkungen der anderen Kräuter und wirkt als Boten-Kraut regulierend auf den Bereich des Mittleren Erwärmers.


Liu wei di huang wan (6-Bestandteile-Pille mit Rx. Rehmanniae)
Quellentext
Xiaoer yaozheng zhijue
Bestandteile
Rx. Rehmanniae glutinosae conquitae (Shudihuang) 12 g Kaiser-Kraut
Fr. Corni (Shanzhuyu) 6 g Minister-Kraut
Rz. Dioscoreae oppositae (Shanyao) 6 g Minister-Kraut
Rz. Alismatis (Zexie) 6 g Helfer-Kraut
Sclerotium Poriae cocos (Fuling) 6 g Helfer-Kraut
Cx. Moutan (Mudanpi) 6 g Helfer-Kraut
Wirkung
Nährt das Leber- und Nieren-Yin
Beschreibung der klassischen TCM-Rezeptur:
Der Autor Qian Yi hat die Rezeptur Liu wei di huang wan in dem Quellentext Xiaoer yaozheng zhijue ursprünglich zusammengestellt, um Kindern mit einem Nieren-Yin-Mangel helfen zu können. Da die Rezeptur sehr ausgeglichen ist, gilt Liu wei di huang wan heutzutage als eine allgemeine Basisrezeptur, die das Yin tonisiert. Obwohl die Nieren das wahre Yin beherbergen, können auch andere Organe von einem Yin-Mangel betroffen sein, beispielsweise das Herz. Dieses bildet mit den Nieren das Paar der Shaoyin-Organe und ist − in Bezug auf die Lage innerhalb des Körpers − eher im Yang-Bereich lokalisiert. Ein Nieren-Yin-Mangel führt oft dazu, dass das Yang nicht mehr kontrolliert wird, so dass Leere-Hitze-Symptome auftreten. Entsprechende Symptome sind: Erschöpfungszustände, Schwäche und Schmerzen im Bereich der Beine, Drehschwindel, Ohrensausen, Zahnschmerzen, nächtliche Samenergüsse, die 5 Herzen (Handflächen und Fußsohlen sowie Brustkorb) sind warm, ständiges Hungergefühl, ein brennendes Gefühl auf der Zunge, Nachtschweiß sowie Schlafprobleme. Natürlich können nicht alle Yin-Mangel-Zustände mit der Rezeptur Liu wei di huang wan therapiert werden. Es sollte jedes Mal vor Verschreibung einer Rezeptur eine entsprechende Diagnostik durchgeführt werden, so dass eine optimale, individuelle Therapie zusammengestellt werden kann.
Obwohl die Rezeptur Liu wei di huang wan eine elegante, ausgeglichene Rezeptur ist, sollte sie wegen der darin enthaltenen nährenden bzw. befeuchtenden Kräuter nur mit Vorsicht verschrieben werden, wenn die entsprechenden Patienten unter Verdauungsproblemen oder gar Durchfall aufgrund eines Milz-Qi-Mangels leiden bzw. einen dicken, weißen, feuchten Zungenbelag aufweisen.
Zunge: roter, rissiger Zungenkörper; trockener oder fehlender Belag
Puls: dünn (xi), schnell (shuo), möglicherweise oberflächlich (fu)
Entsprechende westliche Krankheitsbilder
Hyperthyreose
Chronische Nephritis
Funktionelle uterine Blutungen
Tuberkulose
Menopausale Beschwerden, Klimakterium
Sterilität
Lumboischialgie
Osteoporose
Insomnia
Diabetes mellitus
Tinnitus
Vertigo
Arterielle Hypertonie
Presbyakusis
Zahnschmerzen
Chronische Laryngitis
Pruritus
Schleimhautatrophie im Bereich der Vagina
Perniziöse Anämie
Analyse der einzelnen Kräuter
Diese Rezeptur kann als Beispiel für eine Rezeptur angesehen werden, in der sich kein Boten-Kraut befindet. (Im folgenden Abschnitt des Buches werden jedoch Variationen der Rezeptur Liu wei di huang wan vorgestellt, in der Boten-Kräuter zu verschiedenen Körperregionen vorkommen.) Liu wei di huang wan besteht aus mehreren Gruppen von Kräutern: Die erste Gruppe besteht aus tonisierenden Kräutern.
Das Kaiser-Kraut Rx. Rehmanniae glutinosae conquitae (Shudihuang) tonisiert das Nieren-Yin sowie die Essenz (Jing)
Fr. Corni (Shanzhuyu) und Rz. Dioscoreae oppositae (Shanyao) dienen als Minister-Kräuter. Fr. Corni (Shanzhuyu) tonisiert das Leber- und Nieren-Yin und wirkt adstringierend. Durch diese adstringierende Wirkung wird verhindert, dass durch Nachtschweiß, nächtliche Samenergüsse etc. zusätzlich Substanz (Jing) verloren geht. Rz. Dioscoreae oppositae (Shanyao) tonisiert das Milz-Qi. Dies ist notwendig, da das Yin nur aufgebaut werden kann, wenn das Milz-Qi seine Wirkung gut entfalten kann
Die zweite Dreier-Gruppe an Kräutern hat eine ausleitende Wirkung. Bei diesen drei Kräutern handelt es sich um die Helfer-Kräuter der Rezeptur. Rz. Alismatis (Zexie) klärt Hitze und leitet diese nach unten. Es dient zusätzlich als Schutz, dass die Nieren-Yin tonisierenden Kräuter nicht zu einer Feuchtigkeits-Stagnation führen. Cx. Moutan (Mudanpi) wirkt ebenfalls kühlend. Dieses Kraut klärt Leber-Feuer und wirkt innerhalb dieser Rezeptur der wärmenden Wirkung von Fr. Corni (Shanzhuyu) entgegen. Sclerotium Poriae cocos (Fuling), das Kraut mit dem neutralen Geschmack, leitet Feuchtigkeit aus und tonisiert das Milz-Qi. In Kombination mit Rz. Dioscoreae oppositae (Shanyao) verstärkt es die Transportfunktion der Milz und verhindert damit das Aufkommen von Feuchtigkeit durch die nährenden Kräuter. In Kombination mit Rz. Alismatis (Zexie) verbessert Sclerotium Poriae cocos (Fuling) den Flüssigkeitshaushalt des Körpers und regt die Diurese an.


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